Montag, 26. Oktober 2009

familiengeschichten


hallo herr balduin,
vor einigen wochen saß ich im elterlichen haus am essenstisch. auch die liebe mutter war zugegen. und wie wir nun so dasaßen und uns des abendbrotes erfreuten kam das gespräch auf unsere familie. wir unterhielten uns über meine großeltern, deren geschwister und schließlich auch über meine urgroßeltern. an manchen tagen ernüchtert mich das wissen um meine familie sehr. du musst wissen, die sehnsucht nach vollkommenheit steckt in mir. und je mehr ich von meinen vorfahren erfahre, umso mehr muss ich feststellen, dass meine familiengeschichte alles andere als vollkommen ist. da gibt es scheinbar niemanden den ich mir stolz auf die "flagge malen" würde. die eine seite meiner familie stellt sich mir als etwas sehr kaputtes dar. so viel zerbruch, unglück, bösartigkeit und elend. da will ich lieber gar nicht alles wissen. die andere seite ist da schon etwas gnädiger mit mir. jedoch von einer "heilen welt" auch weit entfernt. die menschen sind kinder ihrer zeit. und mensch sein impliziert wohl immer auch dunkelheit. das habe ich begriffen. und auch meine sehnsucht nach vollkommenheit kann ich nicht mehr so konservativ betrachten. neben allem wissen kenne ich mich ja auch selber noch ...
dennoch erscheinen mir meine "wurzeln" oft nicht als lebensspender, sondern eher als ballast. gern hätte ich irgendeine herrausragende person in meiner ahnenreihe. also niemanden brühmtes oder so. auch kein perfektum, sondern ein mensch, der ein lebendiges leben hatte. dessen geschichten mir kraft für mein eigenes leben geben könnten. der die stürme, herausforderungen und kämpfe des lebens kennt und diese aufrichtig durchschritten ist. vielleicht eine art mythos, in dem ich das kreisen um mich selbst verlieren könnte und teil etwas größeren werde ...

wie gesagt, meine mutter erzählte mir einige familiengeschichten. ich muss dazu sagen, sie ist eine besondere frau. sie gehört nicht zu den "denkern", die das leben ganz bewusst ergründen wollen. aber sie nimmt das leben wie es kommt. kennt reine lebensfreude, weicht dem leid nicht aus, begenet ihrer geschichte und dunkelheit ehrlich und kann wohl gerade deswegen demütig und gütig dem leben anderer begegnen. auch hat sie eine besondere gabe. sie versteht es zusammenhänge zu erfassen. und all diesen dingen liegt eine liebevolle mütterlichkeit zugrunde.
und so erzählte sie dann auch von meinen großeltern und urgroßeltern. das hat mich bewegt und auch etwas mit meiner familie versöhnt!

auch wenn die "moral" wohl etwas überraschend kommt. meine mutter und auch mein vater - von dem schreibe ich vielleicht ein andermal - ohne sie jetzt über die maßen loben zu wollen, sind menschen, die mit ihrem leben für mich lebensspendene wurzeln darstellen. und ich würde meinen kindern viele geschichten von ihren großeltern erzählen können, die sie gern teil ihrer familie sein lassen würden.

die großmutter, die am krankenhausbett zu ihrem sohn sagte: "ich habe dich gern geboren." die nie schlecht über andere leute redete und absolut ehrlich war. die dinge die sie nicht kannte ehrfürchtig behandelte und all ihren kindern wertschätzung entgegen brachte. der großvater, der seinen sohn in den arm nahm und sagte: "na großer, schön das du da bist". der schlicht und einfach glauben lebte, vergab, verantwortung übernahm, menschen half, keine phrasen redete. zwei menschen voller fehler und die sicher nicht alles richtig gemacht haben - aber von denen leben ausgeht.
fritz

4 Kommentare:

  1. Danke Bruderherz, dass du mich daran erinnert hast!

    AntwortenLöschen
  2. hey, du schreibst wieder???!!! wusst ich gar nicht...hab den link eben bei anna gesehen. schön, dass du wieder schreibst... schreiben kann ja so heilend sein (geht mir so). ach, freu mich wieder was von dir zu lesen! gruß an deine frau. euch eine gute woche!

    AntwortenLöschen
  3. hallo ruth,
    ja, ich bin wieder im virtuellen kreisen anzutreffen. und den wert des schreibens schätze ich auch hoch :-) schön von dir zu hören/lesen.
    fritz
    ps: grüße wurden überbracht.

    AntwortenLöschen