Montag, 31. August 2009

frag nach!

herr balduin,

vor einiger zeit besuchte mich jemand. an und für sich war nichts besonderes daran. er kannte mich, ich kannte ihn - und das auch nicht erst seit gestern. und so saßen wir in unserer stube und plauderten. da ist es mir sehr eindrücklich bewusst geworden ... der wert des nachfragens. mein besuch fragte viel nach. er wollte wissen und verstehen was in meinem leben vor sich geht. er gab keine ratschläge, war nicht übermäßig betroffen und nickte auch nicht ständig süffisant lächelnd und "verstehend". er fragte stattdessen und hakte nach. dieses ehrliche interesse hat mich sehr beeindruckt. und immer mehr sehe ich wie gut diese haltung ist. oft warte ich genau darauf, dass leute mich fragen warum ich dies und jenes denke, glaube und tue - doch auf die idee zu kommen, selber nachzufragen, an anderen interessiert zu sein, zwischen den zeilen zu lesen und in den seelen zu forschen komme ich selten. beschämend!!!

herr balduin, hier nun ein kurzer praktischer plädoyer an mich und den rest der welt. "frag mal  nach!"

fritz

Donnerstag, 27. August 2009

das übersehene glück


herr balduin,

vor einiger zeit war ich in einer ausstellung die sich mit dem thema: "glück" und der frage: "was ist glück?" beschäftigt hat. dort gab es auch eine umfrage unter den besuchern. diese sollten mithilfe einer skala von 1-10 bewerten wie glücklich sie in ihren verschiedenen lebensbereichen sind (familie, arbeit, finanzen, sex ...). was ist glück? ich glaube die meisten menschen würden in ihrem leben die zahlen 8-10 eher selten vergeben. und wenn nur dann, wenn sie sich auf wirklich hohem niveau darin befriedigt sehen. in einer zeit wo die superlative immer mehr zunehmen, wo sich jeder beweisen muss und nur das beste anerkennung bekommt. wo medien vorgeben was zum glück alles dazu zugehören hat und wo die sehnsucht nach erfüllung und der hunger nach sinn, höheren und vollkommenen in jedem wohnt, dort verliert das gewöhnliche und durchschnittliche seinen wert und seiner erfüllung. doch sind wir nicht alle eher durchschnitt? leben wir nicht oft ein erschreckend normales leben was vielleicht mit 4-6 bewertet wird. du sollst mich nicht falsch verstehen herr balduin. ich glaube, dass die sehnsucht nach mehr, erfüllung - ja nach ewigkeit etwas sehr wichtiges ist. sie hält uns am leben auch bei schwierigkeiten. doch merke ich immer wieder in meinem eigenen leben, dass dies nur eine seite der medalie ist. denn aucf der anderen macht es unzufrieden und depressiv wenn man sich nach dem "himmel" sehnt, aber aufgrund seiner menschlichkeit in scheinbarer mittelmäßigkeit fest hängt. das dient nicht dem leben. es verhindert, dass wir unsere durchschnittlichen mitmenschen und uns selbst annehmen und lieben lernen. in einer welt wo nur die höchststufen ihre beachtung und berechtigung erhalten sägen wir an dem ast, auf dem wir selber sitzen. 

darüber hinaus verpassen wir das glück was im gewöhnlichen steckt, die zufriedenheit des gegenwärtigen, so manchen versteckten schatz, der erst dann seinen wert zeigt, wenn er mal nicht mehr ist. ich will nicht verblenden. das alltägliche wird unterschätzt - ich unterschätze es so oft. wer im kleinen treu ist ... ich will einer von vielen sein.

fritz

porträt - janusz korczak

herr balduin,

gerade lese ich eine biographie über janusz korczak. ein polnischer arzt, scfhriftsteller und pädagoge jüdischer abstammung, der mit bürgerlichen namen eigentlich henryk goldszmit hieß und unteranderem leiter mehrer waisenhäuser war. ein unkonventioneller mann voller lebenslust und traurigkeit. ich muss an dieser stelle zugeben, dass ich noch nicht ganz fertig bin mit lesen und sich darüber hinaus mein wissen über ihn in grenzen hält. doch was ich gelesen habe beeindruckt mich auf eine angenehm schlichte art und weise. seine gedanken inspirieren und machen nachdenklich. im gegensatz zu vielen anderen menschen verzichtet er darauf seine überlegungen über erziehung als "gesetzt" zu betrachten. als er über seine theorien befragt wurde antwortete er: "ich gebe keine rezepte. wir experimentieren und suchen und entfernen uns nicht von der wirklichkeit" (briefe).  er ist bekannt unter dem beinamen"der freund der kinder". mit seinem leben und sterben scheint er dies eindrucksvoll zu belegen. sein biograph sagt von ihm: "er liebte launenhaft und manchmal ungerecht, mit allen merkmalen einer echten liebe ..."

fritz


"wir gebn euch keinen gott - den müsst ihr in eurer eigenen seele, in einsamer anstrengung, zu finden wissen. wir geben euch kein vaterland - das müsst ihr mit der arbeit des herzens und des gedankens zu finden wissen. wir geben euch keine menschenliebe - es gibt keine liebe ohne vergebung, und vergebung ist eine mühe und anstrengung, die jeder selbst unternehmen muss. wir geben euch eines: die sehnsucht nach einem besseren leben, das heute nicht vorhanden ist und das es einst geben wird, nach einem leben der wahrheit und der gerechtigkeit. vielleicht wird euch diese sehnsucht zu gott, vaterland und liebe führen." ("in der sonne", 1919)

Montag, 24. August 2009

ich habe dir alles gesagt ...

herr balduin,
worte können nur sehr begrenzt die wirklichkeit wieder geben. zu einseitig und von umständen beeinflusst ist meine sicht der dinge. wenn ich von meinen empfindungen schreibe, ist das nie objektiv richtig. viele menschen haben genau deswegen bedenken absolut-klingende  gefühls-aussagen zu treffen. christen besonders dann, wenn es scheinbar gott, oder manche beschreibung der bibel infrage stellt. vielleicht haben sie recht!? doch ich sehe darin auch eine gefahr! wer nicht die fragen zulässt, die das leben stellt, wird unglaubwürdig, selbst eines tages von der unbegreiflichkeit der dinge überrant und/oder herzlos (oft unbewusst) gegenüber menschen, denen das schicksal brutal eins über die rübe gegeben hat. "menschen, die sich nicht den luxus leisten können konservativ zu sein" und am meisten hilfe brauchen. es kann auch die flucht vor der eigenen angst sein ... denn wenn man nur blind und unreflektiert seinen überzeugungen nachjagd und die augen vor den ereignissen und geschehnissen des lebens verschließt, muss man sich nicht dem leid stellen. ich glaube, das es absolut legitim und gesund ist (in jeweils individuellen situationen) sehr existentiell und absolut zu fühlen und das dann auch so zu formulieren ... wer das von vornherein verurteilt, ist ein schwein!
fritz

ich habe dir alles gesagt, meine angst vor morgen, mein versagen und unvermögen, entgegenzutreten den sorgen - dieser verhängnisvoll verheerenden furcht.

ich habe dir gesagt, dass du zu groß für mich bist. du verbirgst dich, lässt dich nicht finden. die umstände bestimmen mein sein. du entziehst dich jeder zusage und in größter not, lässt du mich allein.

du bist mir ein fremder geworden, vergangener trost kommt trostlos daher. leblose dogmatische konstruktionen verabscheue ich. die vielen verstehen das nicht - das leid wird gemieden - ohne das sie es ahnen.

Samstag, 22. August 2009

die zeit

herr balduin,

wie du vielleicht schon bemerkt hast beschäftigt mich sehr das "leben". ich weiß, es ist eine etwas seltsame formulierung, doch mir fällt keine bessere ein. eng damit verbunden ist die zeit. an manchen tagen macht mich das unheimlich hilflos. die welt dreht sich dann wie ein hamsterrad. stehen bleiben geht nicht. man muss weiter gehen ...  bei supermario gibt es eine "welt", wo man nur nach rechts gehen kann und die linke wand sich unaufhaltsam nach vorn bewegt. wenn dann der herr mario stehen bleibt wird er einfach weiter geschoben. so kommt mir diese welt hin und wieder vor. man muss immer nach vorn gehen. zurück geht nicht mehr. und man kann auch nicht anhalten und stehen bleiben (bzw. nur kurze zeit). entscheidungen müssen getroffen werden, und mitunter werden diese mein leben und das leben anderer imens beeinflussen. und wenn ich mich nicht entscheide, habe ich dennoch einen weg gewählt ... 

fritz

Donnerstag, 20. August 2009

das schöne herz

herr balduin,

im vergangenen jahr staunte ich nicht schlecht als ich in der zeitung laß, dass es in einer nahegelegnen stadt eine kleine niederlassung von den "missionarinnen der nächstenliebe" gibt. diese katholische schwesternschaft wurde von mutter theresa gegründet und ist in mehr als 130 ländern dieser welt. der erwähnte zeitungsbericht hat mir gut gefallen und so kam es, dass ich die   "schwestern" mal besuchte. die oberin zeigte mir die arbeit, die sie unter obdachlosen und hilfebedürftigen taten. ich will keine falschen vorstellungen verbreiten. es war ein ausgesprochen normaler tag! doch will ich auch nicht verschweigen, dass die schwestern - 4 waren es - ohne berührungsängste und sehr herzlich den menschen begegneten. so viel zur vorgeschichte. die oberin, die mir alles zeigte erzählte eine geschichte die mir noch gut in erinnerung geblieben ist:

ein stattlicher, gut aussehender junger mann besaß ein herz. dieses herz war fleckenlos, rein und war wirklich schön anzusehen. es hatte keinen makel. der mann trug es stets vor sich her und zeigte es stolz allen menschen. eines tages traf er einen alten mann. dessen herz war häßlich. überall hatte es narben und risse. es war dreckig und an manchen stellen aufgefetzt. nun zeigte der junge mann selbstverliebt sein fehlerloses herz und fing an es vor dem alten zu rühmen. irgendwann fragte er den alten: "was hat dein herz denn so furchtbar entstellt?" da schaute ihn dieser etwas traurig an und sagte: "ich habe menschen geliebt und bin nicht im gleichen maß zurück geliebt wurden, das hat wunden geschlagen. ich habe mein herz verschenkt und habe nicht, oder wenig zurück bekommen, so das es kaputt ging. ich habe gehofft und investiert und bin enttäuscht wurden." der junge mann blickte beschämt zu boden und ging schnell weg. als er außer sichtweite des alten war, schaute er sein herz an und riss ein stück davon ab."

so, oder so ähnlich war sie.

fritz 

Mittwoch, 19. August 2009

organisierte nachbarschaftshilfe

herr balduin,

janusz korczak hat jungen pädagogen und ehrgeizigen kindern geraten: "man muss vorsichtig in taten, doch kühn und unberechenbar in träumen sein." (brief 1935). mit manchen meiner freunde träume ich manchmal davon die welt zu verbessern. ein leben zu führen was der gesellschaft gut tut und über das diesseits hinaus reicht. wir erzählen uns dann unsere ideen. und ich muss feststellen, nur wenig anderes belebt und ermutigt mich so sehr wie dieses "träumen". ja, es sind bisher viele gedanken und nur wenige taten, aber es sind wirklich viele gute gedanken dabei.

ich möchte dir heute etwas schreiben was in keinster weise dem meinigen gedankengut entspringt, aber es begeistert mich und ist teil der träumerei geworden. mir erzählte jemand davon. es geht um gemeinnützige vereine die gegründet werden um eine organisierte nachbarschafthilfe zu ermöglichen. die menschen in einen solchen verein sind so eine art soziale interessengemeinschaft. jeder bringt seine talente, seine zeit und seine möglichkeiten ein, jeder profitiert davon. geld wird dabei nicht bezahlt. um sich besser kennen zu lernen veranstalten die "gruppen" dann grillabende, wanderungen und andere unternehmungen. die person die mir davon berichtet hat erzählte mir, dass manche solcher vereine schon seit 8 jahren bestehen. soweit ich weiß nehmen hauptsächlich ältere menschen das angebot war ... diese idee trifft die nöte und herausforderungen unserer zeit. immer mehr soziale gefüge (familie, verbindliche gemeinschaften) lösen sich auf. gerade die auf der "schattenseite" des lebens - kinderreiche familien, alte menschen, arbeitslose, kranke, hilfebedürftige, alleinerziehende, ausländer und geringverdienende könnten so in eine gemeinschaft integriert werden, hilfe erfahren und selber helfen. zudem werden andere schwerpunkte gesetzt und werte vermittelt, als wie es der materialismus unserer konsumgesellschft tut. wert hat kein wertloses geld, sondern bagabungen, fähigkeiten, fertigkeiten und taten (investieren von zeit und möglichkeiten). und nicht zuletzt setzt es ein gegentrend zu der erwartung, dass allein  der staat verantwortung übernehmen muss.

lieber balduin, ich bin entzückt.

der fritz 

Montag, 17. August 2009

das lebendige leben

herr balduin,

manchmal sprechen meine frau und ich vor dem einschlafen ein kurzes gebet. entweder lesen wir ein vorgegebenes oder sagen selber ein paar worte. dabei formulierte meine frau letztens einen satz der mich nachdenklich gestimmt hat: "herr, mach unser leben lebendig." die erkenntnis, das ich wirklich am leben vorbei leben kann, schmerzt etwas. sicher kann man viele übersteigerte vorstellungen damit verbinden, doch an der tatsache ändert das ja nichts. wenn sinnlosigkeit und hoffnongslosigkeit den alltag bestimmen, wenn umstände und ereignisse uns gefangen nehmen, wenn wir nicht in berührung mit uns und der ewigkeit sind, dann verkommen wir zu seelenlosen wesen. und dann ist so egal wie schön unser leben doch von außen aussieht ... etwas anderes schwingt noch mit. dies ist größer als wir es sind, es geht über unser vermögen, wir können nicht einfordern, nur dankbar begrüßen.

fritz