stille. der große raum liegt in einsamen schlaf. durch die hohen fenster fällt etwas licht auf die groben traurigen dielen. sie könnten geschichten erzählen. haben sie doch schon so viele kinderbeine getragen, so viele tränen, gemeinheiten, träume gesehen. doch sie schweigen. jetzt wird die stille von einem husten unterbrochen. frank hat sich letzte woche erkältet, jetzt dreht er sich auf die andere seite, schmatzt etwas, redet undeutliches zeug im schlaf und kapituliert letztendlich wieder vor der ruhe der nacht. wie die perlen aufgereiht stehen die kleinen betten im halbdunkel. die jungens liegen quer, schweißgebadet, zusammengekauert, daum lutschend, teddy fest umklammernd oder auch ganz ruhig, kaum atmend in ihrem kleinen reich. sie haben die augen alle geschlossen und sind dieser welt geflüchtet. gnadenvoll hat sie die barmherzige mutter schlaf für stunden adoptiert und sie liebevoll in die arme geschlossen. michael jedoch liegt wach. schon eine stunde, oder zwei? er weiß es nicht, die uhrzeit konnte er nicht lesen, das hatten sie noch nicht in der schule bei herrn schneider gelernt. und wenn, könnte er sie vielleicht trotzdem nicht, denn manchmal verstand er einfach nicht die dinge, von dennen der herr schneider redete. die anderen lachen dann hin und wieder. das tat ihn immer weh. ja man glaubt es kaum, doch dieses wundervolle geschenk der seele, dieser unschuldige fröhliche duft des lebens, kann gleichzeitig eine gemeine brennessel in der hand garstiger menschen werden. sie wiehern, feixen und grinsen - schlagen, treten und kratzen. doch darüber will michael gerade nicht nachdenken. seine aufmerksamkeit wird gerade auch für etwas anderes, wirklich wichtiges gebraucht. denn im schein der funkelnden sterne und des mondes tanzte eine mücke. wenn er die luft anhielt, konnte er sogar ihr summen hören. plötzlich hustete der frank wieder, da war natürlich gar nichts mehr zu hören. doch sehen konnte er sie immer noch. michael legte die bettdecke zur seite um und setzte sich auf die bettkante. barfuß wie er war ging er an die stelle wo er die mücke tanzen sah.
stille ... dann beugte er etwas die knie und strekte sie sanft wieder. er wiegte seinen körper, stellt sich auf die linke ferse und dreht sich langsam im kreis. geschmeidig und verletzlich versuchte er zu tanzen. er hatte das einmal einen alten film gesehen, und den fand er schön.
dann began es ihm zu frösteln. das große fenster stand zur hälfte offen und ein nasskalter windzug zauberte gänsehaut auf seine arme. er hielt inne von seinem tanz und schaute in die nacht. viele kleine sterne verschenkten fröhlich ihr licht. er erinnerte sich an einen alten mann. abraham soll er geheißen haben und vor vielen tausend jahren hat er gelebt. frau osterberg hat ihnen in der sonntagsschule davon erzählt. dieser hat sich auch mal die sterne angeguckt. michael war überweltigt. wenn frau osterberg nicht geschwindelt hat dann schaute er zu den gleichen sterne hoch, wie der alte abraham! plötzlich musste er gähnen und schnell schlüpfte er wieder in sein bett. die decke zog er bis fast übers gesicht, faltete noch einmal seine hände und sagte:
"gott, danke das du die mücke tanzend gemacht hast, und auch die sterne gefallen mir gut. mach den frank ganz gesund, damit wir wieder in ruhe schlafen können und mach mich bitte klug wie den jochen, damit ich beim uhrzeitlernen nicht ausgelacht werde. du kannst das doch, oder?"
kaum hatte er das gesagt vielen seine augen zu und mutter schlaf strich ihm traurig lächelnd über die stirn.
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